Grundlage der Vorgehensweise unserer Arbeit ist das Design Thinking. Im Umfeld der Stanford University
entstanden, wurde das Konzept vor allem durch die Design-Firma IDEO bekannt
gemacht. Wie der Name schon vermuten lässt ist das Design Thinking im
Bewusstsein des modernen Designs verwurzelt. Es fließen allerdings auch Konzepte
aus der Sozialpsychologie bzw. Kreativitätsforschung und dem
Innovationsmanagement mit ein.
Flexibilität und
Iteration
Das Grundgerüst des Design Thinking ist ein flexibler,
modularer, iterativer Innovationsprozess. Das heißt: Der Prozess besteht aus
sechs klar umrissenen Einzelschritten, die in einer sinnvollen Reihenfolge
durchlaufen werden. Dabei sind Inhalte und Reihenfolge aber flexibel gestaltet,
so dass man den Prozess immer an die Gegebenheiten anpassen kann. Der gesamte
Prozess oder Einzelteile davon kann dabei als Schleife gesehen werden; das
Ergebnis eines Durchlaufs stellt die Grundlage für den nächsten Durchgang dar.
Mit jeder Schleife wird das Ergebnis konkreter und belastbarer.
Divergieren und
Konvergieren
Um möglichst gute Lösungsansätze zu entwickeln, müssen erst
einmal möglichst viele Optionen generiert werden. Deswegen sind einzelne Phasen
des Prozesses so gestaltet, dass das assoziative, kreative Denken der Design
Thinker gefördert wird. Ebenso sind andere Phasen darauf konzentriert, unter
den vielen Optionen die interessantesten zu evaluieren und auszuwählen.
Nutzerzentrierung
Im Zentrum des gesamten Prozesses steht der derzeitige oder zukünftige
Nutzer, egal ob es um Produkte geht, um Dienstleistungen, Organisationskonzepte
oder Geschäftsmodelle. Jede Innovation befindet sich idealerweise im Zentrum
von drei Aspekten: Erwünschtheit (Desirability), Umsetzbarkeit (feasibility),
Wirtschaftlichkeit (viability). Ausgangspunkt des Design Thinking ist dabei die
Erwünschtheit, denn ohne ein intrinsisches Interesse des späteren Nutzers an
der neuen Lösung ist diese unbrauchbar.
Prototypisierung
Entsprechend des iterativen Vorgehens arbeiten Design
Thinker intensiv mit Prototypen. Dabei ist nicht immer ein 90%er gemeint, also
ein Prototyp, der schon fast zum Serienmodell taugt. Auch muss ein Prototyp
nicht immer physikalisch sein, da man auch Dienstleistungen und andere Konzepte
prototypisieren kann. Die Idee ist, durch experimentelle Umsetzungen mehr über
potentielle Lösungen zu erfahren. Durch Visualisierungen oder erste Mock-Ups
können die Design Thinker besser kommunizieren. Die stufenweise
Prototypisierung lässt die Entwickler die größten Probleme bei einer
potentiellen Lösung erkennen, bevor man weitere Ressourcen investiert hat.
Interdisziplinäre
Teams
Statt einen strikten akademischen Hintergrund vorauszusetzen
geht Design Thinking davon aus, dass unterschiedliche Perspektiven den Prozess
verbessern. Jede akademische Disziplin hat eine eigene Perspektive und
Vorgehensweise. Um diese Perspektiven einzubinden setzt sich ein Design
Thinking Team somit im Idealfall aus Vertretern unterschiedlicher Disziplinen
zusammen. Ebenso soll eine Mischung aus Geschlechtern, Altersstufen und
Arbeitserfahrungen berücksichtigt werden.
Gemeinsame Sprache
Um die verschiedenen Disziplinen zusammenzubinden verfügt
Design Thinking über eine gemeinsame Sprache, die die Kommunikation im Team
vereinfacht. Die einzelnen Schritte des Prozesses sind durch Regeln und
Prinzipien gekennzeichnet, die optimale Zusammenarbeit ermöglichen. Das
bedeutet natürlich auch, dass eine gewisse Erfahrung mit dem Prozess für den
Ablauf eines Projekts von großem Vorteil ist. Je häufiger man also den Prozess
durchläuft, desto besser lernt man damit umzugehen.
„Probleme kann man
niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“ (Albert
Einstein)
Verstehen
Um ein Problem lösen zu wollen, muss man es erst einmal verstehen. Außerdem müssen alle Beteiligten ein gemeinsames Verständnis der entsprechenden Fragestellung entwickeln. Im ersten Schritt des Design Thinking Prozesses werden alle Informationen gesammelt, die im Team bereits vorhanden sind. Ebenso kann hier eine erste Recherche stattfinden, um sich einen Überblick über bisherige Lösungen zu verschaffen. Natürlich kommt es auch vor, dass man sich von der ursprünglichen Fragestellung verabschieden muss, weil der Kern des Problems woanders liegt. Auch das ist ein wichtiger Aspekt, denn eine sinnvolle Lösung findet man natürlich nur, wenn man das Problem auch wirklich verstanden hat.
„Man braucht nichts im Leben zu fürchten, man muss nur alles
verstehen.“ (Marie Curie)
Beobachten
Der Beobachtungs-Schritt ist eines der Kernelemente des
Prozesses. Beim Design Thinking handelt es sich um eine nutzerzentrierte
Methode der Innovation. Durch die Beobachtungsphase wird der derzeitige oder
auch zukünftige, potentielle Nutzer in den Fokus gerückt. Bereits in der
einleitenden Verstehensphase hat das Team idealerweise bereits Annahmen
bezüglich der Wünsche und Gewohnheiten der Nutzer getroffen; diese müssen aber
verifiziert werden. Beobachtungen nach dem Design Thinking Konzept gehen aber
noch einen Schritt weiter. Man möchte nicht auf dem oberflächlichen Niveau von
Funktionalität verweilen. Das Ziel der Beobachtungsphase ist es, die
emotionalen, sozialen und kulturellen Hintergründe der Nutzer zu erfassen. So
kann man später Informationen ableiten, die auch gänzlich neue Lösungsansätze
ermöglichen.
Wie die Bezeichnung des Prozessschrittes schon sagt erlangt
man zumindest einen Teil der Einsichten durch gezielte Beobachtung. Das Team
bemüht sich also darum, Nutzer im jeweiligen Nutzungskontext begleiten und
beobachten zu können. Ebenso zählen natürlich auch Interviews zum Repertoire
der Design Thinker. Wichtig ist allerdings, dass es nicht um quantitative
Erhebungen geht. Statt eine statistisch relevante Anzahl an Nutzern zu fragen,
verschaffen sich Design Thinking Teams Zugang zu gebündeltem Wissen, indem sie
Extremnutzer und Experten des jeweiligen Themas aufsuchen. So können auch
einzelne Beobachtungen und Befragungen tiefe Einblicke in die Materie gewähren.
„Verbraucher sind für die Wirtschaft das, was der Wähler für
die Politik ist.“ (Jim Turner, Journalist)
Synthese
In der Synthese fasst das Team die Ergebnisse der
vorangegangenen Schritte zusammen. Die Informationen aus dem Schritt
„Beobachten“ sind nicht quantitativ erfasst und auch (noch) nicht strukturiert.
Dementsprechend sucht das Team jetzt nach eben solchen Strukturen. Größere
Trends werden herausgearbeitet, grundlegende Bedürfnisse rund um die
Fragestellung abgeleitet. So entstehen größere Blöcke an Informationen, die in
sogenannten „Frameworks“ dargestellt und aufgearbeitet werden. Frameworks sind
Hilfen der Interpretation, die aus noch relativ unfertigen Überlegungen
konkrete Stoßrichtungen für innovative Lösungen entstehen lassen. In diesem
dritten Schritt des Prozesses wird häufig der Sponsor der ursprünglichen
Fragestellung miteinbezogen, da die fertige Synthese die Richtung der zweiten
Hälfte des Prozesses vorgibt.
„Es ist nicht genug, dass man etwas erfindet, man muss auch
merken, dass man etwas erfunden hat.“ (Karl Steinbuch, dt. Ingenieur)
Ideation
Jede Lösung eines Problems beginnt mit einer zündenden Idee.
Dementsprechend beginnt die zweite Hälfte des Design Thinking Prozesses auch
mit der Ideenfindung. Als Grundlage dienen die Frameworks der Synthese, aus
denen relevante Fragestellungen gebildet werden. Unter Verwendung von
Kreativmethoden geht es nun an die Generierung von möglichst vielen Ideen. Das
wichtigste Werkzeug ist allseits bekannt: Das Brainstorming. Die Teammitglieder
lassen ihrer Kreativität freien Lauf und schreiben und zeichnen auf Post-its
mögliche Antworten auf die Fragestellung. Wie auch bei anderen Formen des
Brainstorming üblich stellt jeder Teilnehmer seine Bewertung zurück. Statt
abwegige oder schwer umsetzbare Konzepte zu kritisieren versucht man aktiv auf
diesen aufzubauen.
Zum Abschluss der Ideation werden im Konsens des Teams die
interessantesten Ideen ausgewählt. Aus diesen entstehen nun erste Prototypen,
die bestimmte Aspekte der möglichen Lösungsansätze veranschaulichen.
„Eine wirklich gute Idee erkennt man daran, dass ihre
Verwirklichung von vorne herein ausgeschlossen erscheint.“ (Albert Einstein)
Prototypen
Prototypen machen abstrakte Konzepte greifbar, vorstellbar
und anschaulich. Dabei ist ein Design Thinking Prototyp nicht dasselbe wie der
Prototyp eines Ingenieurs. Letztere kann man eher als 90%-Prototypen
beschreiben, da es häufig „nur“ noch um Optik, Haptik und Funktionalität geht. Im
Design Thinking setzt man deutlich früher an. Ein Prototyp ist hier ein
„Mock-up“, ein erster Wurf, um eine Idee zu diskutieren und zu testen. Der Grad
der Vollendung reicht von 10% bis 70% - von ersten Zeichnungen oder wackeligen
Konstrukten aus Papier, Draht und ähnlichen Materialien bis hin zu halbfertigen
Modellen, die sich optisch oder funktional an die Lösung herantasten. Je weiter
der Prozess voranschreitet und je häufiger man die Prototypenphase durchläuft
desto konkreter werden auch die geschaffenen Prototypen. Jede Entwicklungsstufe
wirkt auch als Katalysator für die Diskussionen im Team. Während theoretische
Gespräche häufig Unklarheit zurücklassen, weil sie auf Annahmen und Vermutungen
basieren, bieten Prototypen allen Teammitgliedern eine Basis für eine
gemeinsame Sprache.
„Erfahrung nennt man
die Summe aller unserer Irrtümer.“ (Thomas Alva Edison)
Testen
Jeder noch so brillante Designer, Entwickler oder
Unternehmer muss seine Ideen spätestens im Markt testen, um Erfolg und
Misserfolg beurteilen zu können. Solche Tests können aber in der Geschäftswelt
in sehr kostspieligen Fehlschlägen enden. Deswegen befasst sich der letzte
Schritt des Design Thinking mit diesem Thema. Zusammen mit der vorherigen Phase
– den Prototypen – kann man sich durch den Wechsel aus Prototypisierung und
Rückmeldung durch die Nutzer der fertigen Lösung annähern. Anstatt mit viel
Zeit und Geld einen 90%-Prototypen zu bauen und zu hoffen, dass der Nutzer
diesen annehmen wird, holen Design Thinking Teams möglichst früh Rückmeldung
ein. Gerade Prototypen bieten dank ihrer Anschaulichkeit eine hervorragende
Möglichkeit, Nutzer einzubinden. Diese können allein durch ihre Akzeptanz oder
Ablehnung bereits wichtige Signale setzen; im späteren Verlauf des Prozesses
gewinnt man durch Nutzertests wertvolle Einblicke in die notwendige
Funktionalität des fertigen Konzepts. Durch den erfolgreichen Abschluss einer
(oder eher mehrerer) Testphasen maximiert man die Wahrscheinlichkeit der
Annahme durch die Nutzer.
„Ich habe nicht versagt. Ich habe nur 10.000 Wege gefunden,
wie es nicht funktioniert.“ (Thomas Alva Edison)
Aktuelle Relevanz für Firmen:
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